Grenzgebiete - Geschichten aus der Trennungsmediation

 

„Und dann hat er immer diese fettigen Sachen in seinem Kühlschrankteil!“

 

Puh. Selbst ich als Mediatorin musste innerlich einmal tief durchatmen als dieser Satz fiel.

 

Vor mir saßen Frau und Herr Schenk*.

Sie hatten sich vor 3 Monaten getrennt und lebten noch unter einem Dach. Eine neue Wohnung war für Herrn Schenk auf die Schnelle nicht gefunden worden, obwohl er wollte.

 

Beide wollten sich friedlich einigen.

Sie hatten die Idee aufgegriffen, bereits möglichst viel im Alltag zu trennen. Deswegen gab es auch getrennte Kühlschrankbereiche.

Einfach um sich klar zu werden, was denn jeder für sich bzw. Frau Schenk für sich und die beiden Kinder tatsächlich im Alltag an Lebensmitteln brauchte.

 

Es war die 3. Mediationssitzung.

 

Meine anfängliche Frage, ob etwas Aktuelles zu besprechen sei, hatte zum Vorschein gebracht, dass Herr Schenk ab und an seine Lebensmittel im Teil von Frau Schenk ablegte.

 

Frau Schenk hatte sich in Rage geredet.

„Und dann hat er noch immer diese fettigen Sachen in seinem Kühlschrankteil!“

 

Die Zeit stand still. Für jeden einzelnen im Raum. Die Verbindung unterbrochen.

 

Nach einem kurzen Blick auf Herrn Schenk, nahm ich den Kontakt zu Frau Schenk leise wieder auf.

„Was genau stört sie, an diesen Sachen ihres Mannes?"

„Dass sie so ungesund sind.“

 

„Es sind die Lebensmittel ihres Mannes?"

„Ja.“

„Kann es sein, dass sie einem alten Muster „auf den Leim gegangen sind“?“

 

Ein fragender Blick.
„Sie trennen sich gerade.“

„Ja.“

„Soll jetzt jeder für sich selbst verantwortlich sein?“
„Ja.“

„Möchten Sie Ihrem Mann die Freiheit geben, selbst für seine Gesundheit verantwortlich zu sein?“

Ein zögerndes „Ja“.

 

„Unser Gespräch begann mit den Lebensmitteln ihres Mannes in Ihrem Kühlschrankteil.“

„Ist es, dass Sie Ihre Grenze durch Ihren Mann gewahrt wissen möchten?"

„Ja.“

 

„Herr Schenk,…“. Er blickte auf.
„Ihre Frau wünscht sich, dass ihre Grenze gewahrt wird. Können Sie das nachempfinden?“

„Ja. Eigentlich geht es mir genauso.“

 

„Können wir festhalten, dass Sie gegenseitig Ihre Grenzen wahren wollen und ihr Bestes tun, dies umzusetzen?“

 

Ein Blickkontakt und Nicken von beiden Seiten.

Eine große Veränderung in der Dynamik zwischen diesen beiden Menschen.

 

Das Wechselspiel von alten Mustern und Eigenverantwortung einmal mehr aufgelöst.

Ich danke für solche Momente.

 

Ihre

Barbara Eiblmaier
Familienmediatorin
Fachanwältin für Familienrecht

 

*Namen fiktiv.