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Singen gegen die Angst

Mai 1996 - Reismann Gymnasium, Paderborn

 

Ich starrte auf das Leere Blatt vor mir.
Mein Puls raste, meine Hände waren kalt wie Eiszapfen, die Gedanken schwirrten.
Ich bekam sie nicht zu fassen.

 

Da saß ich in meiner Abiturprüfung Mathe.

 

Mathe fällt mir eigentlich leicht.

 

Ich saß an meinem Prüfungstisch in der Aula, in der ich sonst viele freie Minuten mit Theaterproben, -aufführungen, Chorauftritten, Orchesterkonzerten verbrachte.

 

Ich sah auf den roten Vorhang, hinter dem ich die Kurbel für das „Vorhang auf“ vor meinem inneren Auge deutlich vor mir sah. Ich roch den Holzboden vom Parkett, den vertrauten Staubgeruch aus den langen Vorhängen neben den deckenhohen Fenster.

 

Doch das Blatt blieb leer, meine Gedanken schwirrten. Panik.

 

Ich traf eine Entscheidung.

Bereits 10 Minuten nach Beginn der Prüfung bat ich darum, auf Toiletten gehen zu dürfen.

Die Aufsicht staunte etwas, und trug mich in die Liste ein.

 

Ich ging auf´s Klo. Auch davor eine Aufsicht. Auch diese wunderte sich.

 

„Scheiß was drauf“, dachte ich mir.

Machte die Kabinentür zu und sang. Erst leise, dann lauter. Schmunzelte verschähmt, weil ich an die Aufsicht vor der Tür dachte.

Ob sie sich noch mehr wunderte? Ich weiß es nicht.

 

Ich weiß nur, dass mein Plan aufging.

Ich bekam meine Gedanken wieder zu fassen.

Ich kam zum normalen Level der Prüfungsaufregung.

 

Ich kehrte zu meinem Platz zurück.

Laß die Aufgaben, rechnete, schrieb.

Und bestand die Mathe-Abiturprüfung mit einer 2.

 

Und die Moral von der Geschicht´: Singen und ängstigen geht gleichzeitig nicht.

Ihre
Barbara Eiblmaier

Familienmediatorin

Fachanwältin für Familienrecht

Bild: Alexas Fotos Pixabay

 

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